Der Umgang mit dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel und die Umsetzung von enggefassten Gesetzesvorgaben – das sind die größten Herausforderungen, vor denen die Kita Bant I in Trägerschaft des Kita-Verbunds „Wachsen und Werden“ des Ev.-luth. Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven steht.
Gemeinsam mit Rüdiger Schaarschmidt, Geschäftsführer von „Wachsen und Werden“, besuchte die CDU-Landtagsabgeordnete Katharina Jensen jetzt die Einrichtung in ihrem Patenwahlkreis Wilhelmshaven. „Wir sind eine große bunte Einrichtung mit vielen Kulturen, daher spielen Integration und Migration in unserem Berufsalltag eine entscheidende Rolle“, berichtet Einrichtungsleiterin Freia Bergenthum.
Mit der großen ersten Flüchtlingswelle 2017 veränderte sich auch die Arbeit in der Wilhelmshavener Südstadt. „Da kamen Kinder mit Fluchterfahrung und einer großen Sprachbarriere in ein fremdes Land“, sagt Bergenthum. Zu Beginn sei das besonders herausfordernd gewesen, aber auch jetzt noch sei es nicht leicht, Deutsch als Zweitsprache an die Kinder zu vermitteln und sie so fit für die Schule zu machen. „Dabei haben wir als Einrichtung viel zu bieten, wir haben Krippen- und Integrationsgruppen, wir haben speziell ausgebildete und engagierte Kolleginnen und Kollegen, die mit tollen Materialien arbeiten, dazu unser wunderschönes Außengelände in einem denkmalgeschützten Gebäude“, sagt sie. Seit dem Bau im 19. Jahrhundert werden hier Kinder untergebracht und gefördert, es handelt sich um den drittältesten Kindergarten in Niedersachsen.
Die Arbeit in Kindertageseinrichtungen wie Bant I hat sich in den vergangenen 25 Jahren allerdings stark verändert: „Die Kinder kommen mit ganz anderen Herausforderungen und Entwicklungsständen in unsere Einrichtung als früher“, sagt Bergenthum. Da seien zwei Fachkräfte für eine Regelgruppe mit 25 Kindern schon sehr eng bemessen. „Das ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß“, betont sie. „Hätten wir nicht vier Zusatzkräfte über die Richtlinie ,Qualität in Kitas‘, dann wäre das nicht umsetzbar.“
Auch das neue Niedersächsische Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG), das 2021 in Kraft getreten ist, hat nicht nur Vorteile gebracht. Zwar betonen Schaarschmidt und Bergenthum, dass der Ansatz der Qualitätsverbesserung richtig sei, dennoch führen die teils sehr eng gefassten Vorgaben in der Praxis zu Problemen. Unter anderem zu ungewollten Gruppenschließungen, durch die Vorgabe, dass eine Gruppe grundsätzlich von mindestens einer Erzieherin betreut werden muss. Ist die nicht verfügbar, muss die Gruppe geschlossen werden, auch wenn Sozialassistentinnen zur Verfügung gestanden hätten. Ein Schritt, der Freia Bergenthum jedes Mal Sorgenfalten auf die Stirn treibt, weiß sie doch, wie unverzichtbar die Betreuung in vielen Familien inzwischen geworden ist. Dabei gehören die Eltern, die einen Platz ergattert haben, noch zu den Bessergestellten, denn trotz Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz, sind die nicht in ausreichender Zahl vorhanden. „Die Verzweiflung bei den Eltern, die ich ablehnen muss, ist oft sehr groß, aber ich habe keine Wahl“, sagt Bergenthum.
Schaarschmidt und Bergenthum sehen die Politik in der Pflicht: „Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, müsste der Beruf mehr Wertschätzung erfahren, zudem müsste die Ausbildung zwingend vergütet werden. Vier Jahre Ausbildungszeit ohne Einkommen ist unattraktiv“, sagen beide. Zusätzlich müsste es Fachkräften, die schon lange im Kindergarten arbeiten, leichter gemacht werden, ihren Erzieher zu bekommen. „Wer zum Beispiel Kinderpflegerin ist, wird nur zum Teil anerkannt und müsste noch eine dreijährige Ausbildung bis zur Erzieherin durchlaufen, egal, wie lange die Person bereits Praxiserfahrungen im Kindergarten gesammelt hat. An den Schultagen fehlen dann übrigens alle im Betrieb, die sich jetzt noch weiterbilden, das muss auch wieder abgefedert werden“, sagt Bergenthum. „Auch Abschlüsse, die im Ausland erlangt wurden, müssten einfacher anerkannt werden. Oft muss auch hier die komplette Ausbildung in Deutschland erneut absolviert werden“, sagt Schaarschmidt.
Auch aus Sicht von Katharina Jensen wäre es wünschenswert, wenn sich die Menschen, die in diesem pädagogischen Bereich bereits jahrelange Berufserfahrung haben, noch sehr viel einfacher und berufsbegleitend nachqualifizieren könnten, um entsprechende Aufgaben zu übernehmen. „Denn die, die da sind, die müssen wir unbedingt halten, wir können es uns schlicht nicht leisten, jemanden zu verlieren“, betont sie.
Zum Hintergrund: Kita-Verbund des Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven „Wachsen und Werden“
Zum 1. Januar 2023 hat der evangelisch-lutherische Kirchenkreis den Trägerverbund „Wachsen und Werden – Bilden und Begleiten am Meer“ gegründet. Das neue Gebilde besteht aus zwei Fachbereichen: Eine Säule des neuen Trägerverbunds ist die Ev. Familienbildungsstätte, die andere Säule besteht aus den evangelischen Kindertagesstätten.
Insgesamt 15 Einrichtungen gibt es davon im Kirchenkreis: zehn in der Stadt Wilhelmshaven und fünf im Landkreis Friesland. Die Stadt Wilhelmshaven betreibt keine kommunalen Kindertagesstätten, der Trägerverbund „Wachsen und Werden“ ist mit 900 Plätzen in seinen zehn Einrichtungen und gut 50 Prozent Marktanteil der größte Anbieter von Kinderbetreuung in Wilhelmshaven.