Die monatelangen Proteste der Bauern in Deutschland richteten sich vordergründig gegen die Pläne der Bundesregierung von Dezember 2023 zur Abschaffung von Steuerbefreiungen sowie zur Abschaffung der Agrardieselregelung. In den vielen landesweiten Protestaktionen spiegelt sich aber auch ein genereller Unmut, der neben Einkommensverlusten auch tiefere Ursachen hat. „Bürokratie in der Landwirtschaft steht dabei ganz weit oben auf der Frustliste“, sagt die CDU-Landtagsabgeordnete Katharina Jensen für den Wahlkreis Friesland/Jade aus dem Wangerland, die auch Mitglied im Agrarausschuss ist. „Inzwischen verbringen die Landwirtinnen und Landwirte in Niedersachsen eine erhebliche Stundenanzahl pro Woche am Schreibtisch, das hält sie aber von ihrer eigentlichen Aufgabe der Lebensmittelerzeugung ab“, so Jensen.
In den vergangenen Jahren sei die Bürokratie immer ausufernder geworden. „Die vielen bürokratischen Regelungen haben dazu geführt, dass die ohnehin schon überdurchschnittlichen Wochenarbeitszeiten weiter ansteigen und erhebliche Kosten für die oftmals notwendige externe Beratung der Betriebe verursachen. Ein Teil der Regelungen ist schlicht überflüssig. Ein anderer Teil ist kompliziert und wenig praxisnah ausgestaltet. Zudem ist die technische Unterstützung, z.B. der Erfüllung von Meldepflichten, zum Teil unzureichend“, kritisiert Jensen.
Daher hat die CDU-Fraktion Niedersachsen in enger Abstimmung mit den Landwirtinnen und Landwirten in Niedersachsen einen Entschließungsantrag ausgearbeitet, der dazu beitragen soll, dass die Landwirtschaft in der Bürokratie deutlich entlastet wird. „Wir haben darin 17 konkrete Entbürokratisierungsmaßnahmen vorgeschlagen, die aus unserer Sicht das Startsignal für eine Trendumkehr bei bürokratischen Lasten darstellen“, betont Jensen. Der Entschließungsantrag wird nun in den zuständigen Gremien in Hannover beraten. „Im Wesentlichen schlagen wir Entlastungen bei etlichen Dokumentations- und Berichtspflichten vor. Zwei unserer Forderungen etwa zielen auf die ersatzlose Streichung des Verwertungskonzepts und der Stoffstrombilanz ab. Dies würde unsere Tierhalter und Biogasanlagenbetreiber, die derzeit keine Planungssicherheit erfahren, entlasten. Ebenfalls greifen wir die N-min Beprobung in roten Gebieten im Rahmen der Düngeverordnung auf“, sagt Jensen. „Wir werden uns nun intensiv dafür einsetzen, dass unser Antrag eine Mehrheit findet und damit Entlastungen schnell auf den Weg gebracht werden können.“
Die 17 Entbürokratisierungsvorschläge im Einzelnen:
Die Landesregierung wird aufgefordert,
1. das gemäß einem gemeinsamen Runderlass des Niedersächsischen Landwirtschafts-, des Bau- und des Umweltministeriums beim Bau von Tierhaltungs- und Biogasanlagen einzureichende Verwertungskonzept unverzüglich ersatzlos zu streichen,
2. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Stoffstrombilanz schnellstmöglich ersatzlos gestrichen wird,
3. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Gefahrstoffverordnung so geändert wird, dass der Einsatz von Rodentiziden nicht mehr dem Gewerbeaufsichtsamt angezeigt werden muss,
4. im Landesrecht Fristen zur Erfüllung von Aufzeichnungspflichten, z.B. im Düngerecht, flexibler zu gestalten, d.h. in begründeten Einzelfällen eine Dokumentation innerhalb von einer Woche, im Regelfall jedoch eine Dokumentation innerhalb von nicht weniger als vier Wochen zu verlangen,
5. sich beim Bund für eine vergleichbare Flexibilisierung der von landwirtschaftlichen Betrieben zu erfüllenden Aufzeichnungspflichten einzusetzen,
6. Bagatellgrenzen für Vor-Ort-Kontrollen einzuführen und sich – soweit Vor-Ort-Kontrollen auf übergeordnetem Recht beruhen – auf Bundes- und EU-Ebene für entsprechende Bagatellgrenzen einzusetzen,
7. Meldepflichten daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie die Mehrfachangabe derselben Informationen verlangen, und die Meldeprogramme konsequent technisch so weiterzuentwickeln, dass die entsprechenden Felder mit den bereits an anderer Stelle angegebenen Daten vorbelegt und Mehrfacheingaben dadurch vermieden werden,
8. zu prüfen, ob alle Meldungen und Anträge eines landwirtschaftlichen Betriebs in einer Akte, die über einen einzigen Online-Zugang (klassisches Log-in mit Password statt elektronischer Personalausweis-ID) erreichbar ist, zusammengefasst werden können,
9. zu prüfen, unter welchen Bedingungen die nach Landesdüngeverordnung (NDüngGewNPVO) vorgeschriebene Nmin-Beprobung in den „roten Gebieten“ vor der ersten N-Düngungsmaßnahme im Frühjahr durch die Verwendung von Richtwerten ersetzt werden kann,
10. die Regelungen bei der Neuansaat von Grünland zu vereinfachen, indem auf die Notwendigkeit der Einholung der Unterschriften der Eigentümer verzichtet wird, soweit weder eine Umnutzung der Fläche vorgenommen wird noch eine Wertminderung der Fläche zu erwarten ist,
11. sich auf Ebene des Bundes und der EU dafür einzusetzen, dass die Regelungen bei der Neuansaat von Grünland vereinfacht werden, indem die bisherige Genehmigungspflicht durch eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Behörde ersetzt wird,
12. sich auf Ebene des Bundes und der EU für einen Wegfall der 5-Jahres-Regelung nach § 7 der Verordnung zur Durchführung der GAP-Direktzahlungen (GAPDZV) bei potenzieller Dauergrünlandnutzung einer Fläche einzusetzen,
13. zu prüfen, wie die Bewirtschaftung von Acker- und Grünland (Pflanzenschutzmittelanwendungen, Acker-/Grünlandtausch usw.) in Vogelschutzgebieten wieder vereinfacht werden kann, ohne die Erreichung des Schutzzwecks des jeweiligen Gebietes zu gefährden, und insoweit von möglichen Länderermächtigungen Gebrauch zu machen,
14. sich auf Ebene des Bundes und der EU dafür einzusetzen und auf Landesebene dafür Sorge zu tragen, dass in Vogelschutzgebieten zur Erreichung des Schutzzwecks notwendige Einschränkungen der Bewirtschaftung nach Möglichkeit nur aufgrund freiwilliger Vereinbarungen gegen Entgelt erfolgen und entsprechende, ausreichend attraktive Anreizsysteme implementiert werden,
15. sich auf Ebene des Bundes und der EU dafür einzusetzen, dass für den Fall extremer Witterungsbedingungen die GLÖZ-Standards, namentlich GLÖZ 6 (Mindestbodenbedeckung) und GLÖZ 7 (Fruchtwechsel), flexibler ausgestaltet werden und die Nichteinhaltung nicht sanktioniert wird, wenn diese aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen nicht dem Bewirtschafter angelastet werden kann,
16. sich auf Ebene des Bundes und der EU dafür einzusetzen, dass landwirtschaftliche Betriebe mit mindestens 75 Prozent Dauergrünland unabhängig von der Betriebsgröße grundsätzlich von GLÖZ 7 (Fruchtwechsel) befreit werden, 17. dafür Sorge zu tragen, dass neue EDV-Programme zukünftig nur nach einer ausreichend langen Testphase und nach Behebung aller festgestellten Softwarefehler (Bugs) zur Nutzung freigegeben werden.